Saitenschneider

Endlich hatte sich meine Gitta Akustik an mich gewöhnt. Sie klang nach ca. 7 Jahren so, wie man sich eine gute Ehe vorstellen kann: sie wusste meistens, was ich meine, und immer öfter folgte sie meinen Wünschen; ich kannte ihre Eigenarten besser, konnte mich darauf einstellen.

Es blieb ein guter perkussiver Sound, aber inzwischen war der Ton doch etwas runder, kam meinen Wünschen näher. Der Spaß am Rhythmus spielen wuchs.

Klar, manchmal muss man neue Saiten (nicht Seiten) aufziehen. Ich hatte Bronzesaiten einer namhaften, für mich neuen Firma besorgt. Da mich der Hersteller nicht sponsert, sei der Name hier nicht genannt, aber oft kann man lesen, diese Saiten seien eine Art Lebenselixier für Gitarristen. Nun ja. Saiten drauf, in freudiger Erwartung gestimmt, Saitenlage geprüft, alles ok, die ersten Griffe probiert, aber – WAS WAR DAS? Die Finger irrten wie orientierungslos umher. Eine völlig veränderte Saitenspannung! Barré war kaum zu greifen und, am wichtigsten: dieser Klang war selbst mit gutem Willen nur als ungewollt fremd wahrzunehmen. Eine solche Gitarre hätte ich mir niemals gekauft. Vielleicht geht es einem so, wenn man bisher eine liebevolle dunkelhaarige Frau vertrauter Größe bei sich hatte und plötzlich ein stoppelkurzblondes, größeres Wesen an seiner Seite findet. Irritation, Unglück. Die Mitspieler fanden den Unterschied nicht so schlimm oder hatten sich mit ihrer Meinung sehr zurückgehalten, um meinen Frust nicht noch zu vergrößern.

Erklärung: ich hatte viel zu dicke Saiten erwischt: 13/56. Dass sich dies so drastisch auswirken würde, konnte ich mir als Amateur bisher nicht vorstellen. Seitenschneider, mach er seinen Job. Wieder neu bespannt, diesmal mit dem Satz, den ich aus Sicherheitsgründen immer im Gigbag dabeihabe: 10/47er eines sehr italienisch klingenden Herstellers. Und – große, tiefe Erleichterung: da war er wieder, der vertraute Sound!

Die Finger meldeten sich allerdings mit einer philosophischen Erkenntnis, nachdem sie den Wechsel der Saitenstärken als fast extrem erlebt hatten: in der Mitte liegt das Glück.

Ok, beim nächsten Mal 11er.

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